Zwischenruf - Matthias Scheer:Alte Vorbilder besuchen

Plötzlich sind sie nicht mehr da. Menschen, die ich früher oft getroffen habe. Jetzt begegnen sie mir nicht mehr oder nur noch kaum. Haben sich zurückgezogen. Sind alt geworden. Es geht halt nicht mehr so. Oft heimlich, still und leise sehe und höre ich sie viel seltener. Bei manchen ist das Berufsleben vorbei und sie verabschieden sich in den Ruhestand, andere werden gebrechlich oder krank und ziehen sich zurück. Das Alter isoliert. Manchmal spüre ich: Mir fehlen diese Menschen, obwohl sie eigentlich noch da sind, noch am Leben sind.
Ich bin jetzt über 40 und viele, die in meinen Kindertagen erwachsene Vorbilder für mich waren, sind langsam alt geworden. Sie haben ihren Vorbildstatus nicht verloren, aber ich muss jetzt noch mal von ihnen lernen, denn auch in meiner zweiten Lebenshälfte kann mir ihre Erfahrung helfen. Ich entdecke die Vorbildrolle der Alten noch mal neu und überlege: Was haben sie mir Bleibendes mit auf meinen Lebensweg gegeben? Manches davon ist ein richtiger Schatz, ich denke an die Ruhe meines Klassenlehrers und das Wir-sind-für-Dich-da meiner Eltern. Menschen sind ihrem Glauben, ihren guten Werten treu geblieben und haben mir und anderen gegenüber immer Wort gehalten. Und manche – und die bewundere ich am meisten – lernen sogar jetzt noch dazu, korrigieren manches und teilen diese wertvollen Lebenserfahrungen mit mir. Sie sind jetzt immer noch und auch noch mal Vorbilder für mein Leben. Ein Besuch tut gut. Dadurch wird die Isolation durchbrochen. Ein Gewinn für beide Seiten. Ach, du bist ja noch da, wie schön!