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Lebenszeichen - Luisa Maurer:Apostelin der Apostel – vom Gendern

Die ewige Diskussion um das Gendern. Wo braucht man es wirklich?
Man sieht kleine grüne Pflanzen, die gerade begiinngen zu wachsen
Datum:
22. März 2025
Von:
Luisa Maurer

“Ich freue mich über eine wunderbare Gästin in diesem Podcast!”
Oh oh, das gibt Ärger, denke ich mir und poste die Formulierung dennoch. Und der Ärger lässt nicht lange auf sich warten. “Also Gästinnen ist meines Erachtens zu viel gegendert!” bekomme ich prompt eine Rückmeldung auf Instagram. Gästin - das steigere die Abwehrhaltung für Bereiche, in denen es wirklich gebraucht wird, das Gendern. 
Abgesehen davon, dass “Gästin” im Duden steht und keine neue Erfindung ist, frage ich mich: Welche sind das? Bereiche, in denen es wirklich gebraucht wird? 
In Podcasts und Talkshows sind laut Studien und Umfragen bedeutend mehr Männer als Frauen zu hören und zu sehen. Eine Gästin in einem Podcast - also doch gar nicht mal so selbstverständlich?
Und darüber hinaus gibt es unzählige Beispiele, in denen es eben nicht selbstverständlich ist, dass Frauen mit dabei sind. Im Gegenteil, die fallen ziemlich oft unter den Tisch, die Frauen. 
In einer Schulklasse packt eine Lehrerin einen Stapel mit Plakaten aus. Auf jedem Plakat ist eine Frau zu sehen, die in der Menschheitsgeschichte etwas Großartiges erfunden, etwas entdeckt oder in der Wissenschaft eine neue Erkenntnis erlangt hat. Keiner ihrer Namen ist der Klasse bekannt. Diese Szene habe ich mir vergangene Woche im Kino angeschaut. Sie stammt aus dem Film “Wunderschöner” von Regisseurin Karoline Herfurth. Das patriarchale System wird darin in Frage gestellt. Lehrerin Vicky, alias Nora Tschirner macht ihre Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam: Frauen gingen, selbst wenn sie etwas Großartiges geleistet haben, in der Vergangenheit nicht so berühmt in die Geschichte ein wie Männer. Der Film zeigt Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen und womit sie in einer patriarchalen Welt zu kämpfen haben.
Im Kino habe ich mich selbst überrascht. Naja, dachte ich mir, die Männerperspektive kommt vielleicht doch etwas kurz. Dabei sind Frauen und somit ihre Perspektiven nicht nur in Podcasts unterrepräsentiert. Protagonisten in Filmen sind eben meistens Protagonisten und nicht Protagonistinnen. 
In kirchlichen Bezügen ist das natürlich nicht anders. Frauenperspektiven in der Bibel? Klar, die gibt es, auch wenn die Geschichten der biblischen Männer meistens berühmter sind. Ích denke zum Beispiel an Maria Magdalena. Apostelin. Moment, ApostelIN?
Apostel nennt die Kirche Männer, die von Jesus beauftragt wurden, seine Botschaft weiterzutragen. Apostel, eben ausdrücklich die männliche Form. 2016 nennt Papst Franziskus Maria Magdalena die Apostelin der Apostel. Sie war eine der ersten, die dem auferstandenen Jesus begegnete. Und sie gehörte zum Kreis der – Achtung, es ärgere sich, wer sich ärgern möchte - Jüngerinnen und Jünger. 
Ob ich gendere oder nicht, die Debatte erinnert mich daran, dass Frauen weder in Podcasts noch in der Religion selbstverständlich sind.
So oder so, Maria Magdalena war wohl eher selten mit “Apostel” mit gemeint oder mitbedacht. Ich bin dankbar, dass sie, endlich, als das gefeiert wird, was sie ist: als Apostelin. Ob Jesus wohl heute gendern würde? Wer die Bibel aufmerksam liest, der merkt: Gendern hin oder her – Jesus hat einen Blick für die, die andere vergessen, ausgrenzen oder die eben nicht selbstverständlich bedacht sind.
Bereiche, in denen das Gendern wirklich gebraucht wird. Ich weiß immer noch nicht, welche das sind. Aber ich bin auch in Zukunft bereit, den Ärger in Kauf zu nehmen und manchmal bewusst zu gendern. Denn sie sind eben nicht selbstverständlich: Die Gästin und die Apostelin.