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Zwischenruf - Dr. Christoph Kohl:Ausklingen lassen – nachschwingen lassen

Wie das Erlebte zu einer tieferen Erfahrung werden kann.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
15. Aug. 2024
Von:
Dr. Christoph Kohl

„Ausklingen“ – das ist der Titel eines Gemäldes von Fritz Winter. Es hat mich sehr berührt. Es hängt im Mainzer Landesmuseum. Dort war ich schon öfter, aber diesmal habe ich mir vor allem die Gemälde angeschaut. Und vor diesem Bild des Malers Fritz Winter bin ich lange stehen geblieben und habe es auch fotografiert. Weil es mich auf etwas Wichtiges aufmerksam gemacht hat. 

Auf dem Gemälde ist links eine Klangquelle symbolisch angedeutet. Von ihr gehen spiralförmige Striche aus, flankiert von breiteren Balken und hellen Farbflächen, die nach rechts immer größer werden. Wie ein Klang-Trichter, ein Klang-Raum, in dem das Gehörte ausklingt, nachschwingt.

Ausklingen – das erinnert mich auch an Orgelkonzerte in unserem Speyerer Dom. Der hat einen langen Nachhall. Der letzte Ton der Orgel klingt noch bis zu 12 Sekunden nach. Er kann im weiten Raum ausklingen. Das wird noch verstärkt, wenn dann noch ein wenig Stille ist, bis der Applaus losgeht. Wenn der Raum und die Zeit da sind, dass etwas ausklingen kann, dann kann es seine Wirkung in uns besser entfalten. Dann geht es tiefer und kann uns in unserem Inneren berühren.

Das gilt nicht nur für Musik. Das gilt für alles, was wir erleben. Es tut gut, wenn nach einer Begegnung oder einem schönen Erlebnis nicht gleich das nächste kommt, sondern wenn ein wenig Innehalten möglich ist. Dann wird das, was ich gerade erlebt habe, nicht gleich von etwas anderem überlagert. Es kann nachschwingen und tiefer in mich einsinken. So kann ein schönes Erlebnis zur einer Erfahrung werden, die mich innerlich erfüllen und prägen kann. Alles, was noch länger in uns nachschwingt, wird dadurch zu einem Schatz in unserer Seele. 


     

SR 1/2/3 - Zwischenruf:Ausklingen lassen – nachschwingen lassen