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Zwischenruf - Matthias Scheer:Bis zum letzten Atemzug – da sein

Oft reicht es, einfach da zu sein.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
8. Okt. 2024
Von:
Matthias Scheer

„Kommen Sie schnell“, so werde ich zu einem Sterbenden gerufen. Die „Letzte Ölung“ heißt es am Telefon und ich breche direkt auf zum Krankenhaus. Ich komme ins Krankenzimmer. Ein Mann liegt im Bett und atmet äußerst unruhig, ein einziges Schnauben und Schnaufen. Ob er noch mitbekommt, dass ich im Zimmer bin?
Seine Frau hat seit drei Tagen kaum geschlafen, ist rund um die Uhr bei ihm. Und dann geschieht ein kleines Wunder: Seine Frau streichelt ihm ganz sanft mit einem Finger über den Arm. Im gleichen Augenblick wird seine Atmung ruhiger. Es tut dem Mann gut, er merkt, ich bin nicht alleine und wahrscheinlich spürt er auch, wer ihn berührt.
Ich bin echt erstaunt. Da scheint der Mann irgendwo zwischen Himmel und Erde zu sein, nimmt um sich herum nichts wahr, atmet angestrengt und plötzlich kommt er zur Ruhe. Das ist wie ein kleines Wunder – auch wenn das angesichts der Gesamtsituation natürlich nicht das passende Wort ist.
Aber, wie oft stehen Menschen ohnmächtig und hilflos am Sterbebett, wenn der Tod nicht mehr aufzuhalten ist. Und dann blicken sie – wie mit der Sanduhr in der Hand - einfach nur auf den Sterbenden. 
Hier aber, die Berührung, plötzlich wird der Mann ruhig, er spürt, meine Frau ist da. 
Für mich bleibt das ein kleines Wunder und es zeigt, wie wichtig es ist, einfach da zu sein. Angesichts der Krankheit sind wir hilflos und ohnmächtig, aber trotzdem können wir etwas tun: Da sein. 

SR 1/2/3 - Zwischenruf:Bis zum letzten Atemzug – da sein