Zwischenruf - Dr. Christoph Kohl:Der Wunsch nach dem starken Mann
Donald Trump, Wladimir Putin, Viktor Orban – derzeit ist bei vielen der Wunsch nach dem starken Mann sehr ausgeprägt. Der Wunsch nach jemandem, der alles rettet und regelt und gut macht. Solche Erlösergestalten haben Konjunktur, auch wenn sie oft sehr schillernd und fragwürdig sind.
Das sehe ich mit großer Sorge. Aber ich kann nachvollziehen, warum das so ist. Wer so einer vermeintlichen Rettergestalt hinterherläuft, der macht sich dadurch das Leben leichter und hebt sein eigenes Selbstwertgefühl. Wer sich an einen Großen anhängt, der hofft, dass etwas von dessen Bedeutung auf ihn abfärbt. Die Psychologen sprechen da von einer geliehenen Identität, durch die ein Mensch sich aufwertet.
Schade, wenn Mitmenschen so etwas brauchen. Denn sie zahlen einen hohen Preis dafür, auch wenn sie es nicht merken. Wer Anhänger eines derartigen „starken Mannes“ ist, der wird leicht abhängig – und gibt damit ein Stück eigene Freiheit auf. Er oder sie lässt denken, statt bei sich selbst die eigene Wahrnehmung und das kritische Denken zu entwickeln.
Mir ist – gerade auch als Mann der Kirche – wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft alles dafür tun, dass wir starke, eigenständige Persönlichkeiten heranbilden und fördern. Die brauchen wir ganz dringend. Menschen, die um ihre Würde wissen, die ihnen letztlich von Gott verliehen wurde und die von niemandem und nichts anderem abhängt. Wir brauchen Menschen, die innere Stärke und innere Freiheit ausstrahlen. Menschen, die die Welt mit eigenen Augen differenziert betrachten und sich ihr eigenes Urteil bilden. Menschen, die ihre persönlichen Fähigkeiten ausprägen – und sich selbst einbringen und mit anpacken, damit in ihrem Umfeld besser wird, was im Argen liegt. Ich hoffe auf Menschen, die kein Mitläufer oder eine Kopie sind, sondern das Original in sich entfalten, das Gott in ihnen angelegt hat.