Zwischenruf - Matthias Marx:Der vergessene Mantel

„Wenn du kommst, bring den Mantel mit“ das steht in der Bibel, in einem Brief des Apostels Paulus. „Bring den Mantel mit, den ich in Troas bei Karpus gelassen habe.“
Wenn Paulus an Timotheus schreibt, und solch eine kleine private Bitte, eine solche Nebensache in den Brieftext wandert, kann man sich natürlich den Kopf zerbrechen, worum es hier eigentlich geht. Hatte der Apostel den Mantel schlichtweg vergessen? Liegen gelassen? Oder einfach dort deponiert?
Das kann heute niemand mehr entscheiden oder gar wissen – sowieso gibt der zweite Brief an Timotheus einige Rätsel auf.
Ich bin jedenfalls über diese kleine Bibelstelle gestolpert, als ich wieder einmal meinen Schirm hatte stehen lassen und nie mehr wieder bekam. Ein teurer Schirm übrigens.
Sowas ist ärgerlich und völlig überflüssig und hält nur auf. Nach dem Ärger über sich selbst folgt ein guter Vorsatz: du Schussel, das soll dir nicht noch mal passieren. Doch bei aller Vorsicht, Aufmerksamkeit und Umsicht kann das sehr wohl noch einmal passieren.
Wenn ich etwas liegenlasse, kann ich das nicht einfach auf sich beruhen lassen. Es geht hier in erster Linie um eine Einsicht: ich bin weder fehlerfrei noch gelingt mir einfach alles. Ich kann noch so gut aufpassen, irgendwann passiert es halt wieder.
Falls Paulus wirklich seinen Mantel einfach hat liegenlassen, bin ich sehr dankbar, dass auch ein so großartiger Heiliger seine Schwächen hatte. Denn nach der Einsicht in meine Ungeschicklichkeit geht es vor allem darum: meine Schwächen nicht nur erkennen, sondern auch annehmen. Und nicht die Nerven verlieren.