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Zwischenruf - Christian Heinz:Friedhofsbesuch

Beim Besuch der Gräber der Familie oder von Freunden ist man auch oft bei sich selbst zu Besuch, in der eigenen Lebensgeschichte.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
24. Nov. 2024
Von:
Christian Heinz

Einen Friedhof besuchen. 
Das tun viele evangelische Christinnen und Christen an diesem Sonntag. 
Katholikinnen und Katholiken haben es schon Anfang November gemacht. 
Einen, ein Grab besuchen. 
Mir gefällt der Ausdruck. 
 
Das Wort Besuch hat nämlich für mich eine positive Bedeutung. 
Was hab ich mich als Kind gefreut, wenn es hieß: „Wir fahren Oma und Opa, die 70 km entfernt von uns  gelebt haben, besuchen.“ 
Und wie habe ich mich gefreut, wenn es hieß: “Oma und Opa kommen zu Besuch.” 
Weil die kein Auto hatten, war das gar nicht so leicht zu organisieren und deshalb eine Seltenheit. 
 
Wenn ich heute den Friedhof besuche, auf dem sie begraben liegen, dann besuche ich sie. 
Und ich bin irgendwie auch bei mir zu selbst zu Besuch, in meiner Lebensgeschichte. 
Da kommen sie hoch, die Erinnerungen. Ganz lebendig. 
An das beste Essen, die Fahrt auf dem Traktor mit Opa, das Am-Rücken-Gekrault-Werden von Oma… 
Gerüche, Gefühle und Geräusche. 
Ich spüre, wie sehr sie mich geprägt haben, Oma und Opa und andere Menschen, die schon gestorben sind und deren Gräber ich besuche. 
 
Dass wir auf Erden alle nur zu Besuch sind, daran erinnert der Friedhof mich natürlich auch.  
„Wir sind nur Gast auf Erden“, heißt es in einem Lied, das oft auf Beerdigungen gesungen wird. 
Wir sind hier nur zu Besuch, das macht unser Menschsein aus. 
Vielleicht Grund genug die Zeit zu nutzen; für Besuche, nicht nur aber auch auf Friedhöfen. 

SR 3 - Zwischenruf:Friedhofsbesuch