Zwischenruf - Christian Schöneberger:Grüßen
Ich habe es mir angewöhnt, auch in unbekannter Umgebung, Menschen zu grüßen. Ein mir unbekannter älterer Herr reagiert auf meinen Gruß: „Vielen Dank! Das ist mir ja schon lange nicht mehr passiert, dass mir jemand die Zeit geboten hat! Was für ein schöner Ausdruck, denke ich: „Jemandem die Zeit bieten“! Ein Ausdruck für den Moment, in dem ich einem anderen begegne und wir uns grüßen – für diesen Augenblick heißt es: ich sehe dich, ich nehme dich wahr, ich würdige dich! Ich renne nicht blindlings an dir vorbei, als wärst du Luft!
Dem alten Mann werde ich vermutlich so schnell – vielleicht nie mehr begegnen. Ich kenne nicht mal seinen Namen. Es war nur ein kurzer Moment der Begegnung. Dem anderen die Zeit zu bieten, das heißt: ich bin nicht nur bei mir und für mich selber da. Es gibt auch die anderen, die dürfen etwas von mir haben. Ein ganz kleines Stück Freundlichkeit, Entgegenkommen und ein kleines Stück meiner Zeit!
Meine Zeit steht in deinen Händen – ein Satz aus der Bibel. Mit dem ich mir klar mache, meine Zeit ist mir geschenkt. Und deshalb kann ich etwas von meiner Zeit verschenken, sie ist nicht mein Besitz. Ich kann von meiner – mir geschenkten Zeit – etwas abgeben, einem Menschen, einem dem ich begegne die Zeit bieten.
Also denke ich: mach weiter. Grüße jeden und jede. Biete ruhig jedem, den du triffst, die Zeit! Ich bin sogar überzeugt, dass mir dann auch Zeit geschenkt wird.