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Zwischenruf - Martina Grosch:Meine Wahrheit

Manchmal tut es gut, wenn Liebe und auch Zweifel einen Konflikt lockern können.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
25. März 2025
Von:
Martina Grosch

Weil ich recht habe, kann ich mich nicht irren.
Wenn das meine Überzeugung ist, dann bleibt für andere Standpunkte und Ideen kein Platz. Und wo es keinen Raum für Fremdes, Anderes gibt, verkümmert das Leben.
Jehuda Amichai, ein deutsch-israelischer Dichter schreibt:
“An dem Ort, an dem wir recht haben,
werden niemals Blumen wachsen im Frühling
Der Ort, an dem wir recht haben, 
ist zertrampelt und hart wie ein Hof.”
Das stimmt, wenn meine Wahrheit die einzig gültige ist, kann nichts Neues wachsen. Wo einzig Lilien erlaubt sind, entsteht definitiv keine bunte Blumenwiese.
Im Text von Jehuda Amichai lese ich weiter:
“Zweifel und Liebe aber 
Lockern die Welt auf,
wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.”
Das ist etwas, was ich auch in meiner Arbeit erleben darf. Ich arbeite in einer Beratungsstelle der katholischen Kirche. Bei vielen Konflikten von Paaren und Familien geht es jeder Partei oft nur darum Recht zu haben.
Da tut es richtig gut, wenn Liebe und Zweifel den Konfliktboden lockern.
Wenn sich durch die Gespräche alternative Perspektiven öffnen und Meinungen überdacht werden können.
Denn: Vielleicht hat sich jemand geirrt.

SR1/SRkultur/SR3 - Zwischenruf:Meine Wahrheit