Zwischenruf - Michael Kinnen:Sej a Mensch!
„Und wenn Sie es mir erlauben (…) dann lasse ich Ihnen den kleinen und doch so großartigen wundervollen Satz (…) hier: ‚Sej a Mensch!‘ - ‚Sei ein Mensch!‘“. Ich saß auf der Pressetribüne, als der Sportjournalist Marcel Reif im vergangenen Jahr im Bundestag eine Ansprache gehalten hat zum Gedenken an die Holocaust-Opfer. Bald ist wieder Jahrestag. Mit dem Satz „Sei ein Mensch!“ hat er auch an das Schicksal seines Vaters Leon Reif erinnert. Das sei dessen Vermächtnis: Sei ein Mensch! Menschlich sein. Das ist angesichts dessen, was Leon Reif und die vielen Millionen Opfer des systematischen und unvergleichlichen Naziterrors erlebt haben, umso ergreifender. Sej a Mensch - ein kleiner, und doch so großartiger und wundervoller Satz. Klein und einfach, weil wir ja alle Menschen sind. Aber menschlich sein, das gelingt eben nicht allen. In den großen Kriegen nicht. Noch nichtmal im kleinen Hickhack des Alltags. „Sej a Mensch“ heißt, sich das Menschliche bewahren, wenn alles drunter und drüber geht - auch angesichts von Leid, Tod und Terror.
Auf der Tribüne im Bundestag saß damals auch die inzwischen 103-jährige Margot Friedländer. Eine jüdische Holocaust-Überlebende. Sie wiederholt diese Botschaft immer wieder: „Seid Menschen! Es gibt kein jüdisches, christliches oder muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut: Alle sind gleich. Seid Menschen!“ Wie kann die Welt besser werden bei all dem Unheil? Manchmal ist die Antwort ganz kurz - und vielleicht auch ein guter Vorsatz im neuen Jahr: „Sej a Mensch. - Sei ein Mensch!“