Lebenszeichen - Luisa Maurer:Wann wird‘s mal wieder richtig Sommer?
“Ich könnte wirklich mal wieder etwas Sonne vertragen!” - das höre ich zurzeit öfter andere und auch mich selbst sagen. In den vergangenen Juni Tagen war es bei uns im Saarland nass, bewölkt, grau und trüb. Wenn mal warm, dann eher schwül. Wann wird's mal wieder richtig Sommer? Denke ich mir.
Ja, der Sommer lässt in diesem Jahr besonders auf sich warten. Und ich habe das Gefühl, die Menschen könnten ihn so langsam echt gebrauchen. Die grauen Wolken schlagen regelrecht auf das Gemüt. Das Wetter scheint mir ein Sinnbild zu sein. Für die Dinge, die unseren Alltag gerade grau machen. Der Klimawandel hat die Welt fest im Griff. Noch vor einem Monat stand das Saarland unter Wasser. Auch in der Politik gibt es zurzeit vieles, was mir Sorge bereitet. Die rechtsextremen Wahlergebnisse gefährden unser Zusammenleben, unser Europa und unsere bedingungslose Offenheit allen Menschen gegenüber. Und natürlich auch in der Kirche gibt es die ein oder andere trübe Wolke, wo ich mir mal wieder etwas Sonne wünsche.
An einem solch verregneten Dienstag treffe ich Daniel. In seinem Leben ist gerade scheinbar keine Spur von Sonne und Sommer. Vor einigen Tagen hat Daniel seine Mutter viel zu früh verloren. “Gerne hätte ich gemeinsam mit meiner Mutter noch meinem 30. Geburtstag gefeiert oder sie beim Abschluss meiner Ausbildung im nächsten Jahr dabeigehabt. Es war zu früh” erzählt mir Daniel. In einer solchen Situation zu trösten und zu hoffen, ist eine Herausforderung. Ich fühle mit Daniel – nicht zuletzt, weil er genau in meinem eigenen Alter ist. Was er gerade durchmacht, kann ich mir kaum vorstellen.
Während des Gesprächs beginnt Daniel plötzlich zu lächeln und zu strahlen. Er erzählt mir von der letzten Begegnung mit seiner Mutter im Krankenhaus. Da gab es einen ganz besonderen Moment. “Als ich mich von ihr verabschiedet habe”, berichtet er mir, “da hat es geregnet. Gestorben ist sie mit einem Lächeln auf den Lippen.” Daniel lässt in diesem Moment etwas Musik laufen. Die Toten Hosen singen aus der Musikbox die Textzeile: “Und wenn es regnet, weiß ich, dass du manchmal weinst, bis die Sonne wieder scheint.” Was dann passierte, berührt Daniel sichtlich. “Sie glauben es nicht”, sagt er mir, “in diesem Moment fing die Sonne an zu scheinen. Ich habe meine Mutter mit diesem Lächeln und dem Sonnenschein in Erinnerung. Ich weiß nicht warum, aber seit diesem Moment weiß ich einfach: Sie hat ihre Lebensfreude zurück.”
Die Begegnung mit Daniel berührt mich sehr. Nicht nur, weil er für seine Mutter an ein Leben nach dem Tod glaubt. Natürlich ist er immer noch traurig, dass er sie so früh verlieren musste. Und gleichzeitig hat Daniel mir an diesem Tag vermittelt: Egal wie trüb das Wetter ist, die Sonne wird wieder scheinen!
Und auch in der größten Krise meines Lebens, lohnt es sich darauf zu vertrauen, dass der Regen sich verzieht und die Sonne wieder scheint. Sein Glaube beeindruckt mich.
Wann wird's mal wieder richtig Sommer? Vielleicht ist das in diesem trüben Juni genau die richtige Frage. Nicht nur bezogen auf das Wetter. In allen Krisen erinnere ich mich heute an Daniels Zuversicht in der absoluten Vollkatastrophe. Ja, ich darf in der Krise weinen, so lange bis die Sonne wieder scheint. Mit Daniel hoffe ich darauf, dass sie das nach jeder Katastrophe irgendwann wieder tut. Und mit der Sonne die Lebensfreude an den toten Punkten des Lebens wieder zurückkommt.