Zwischenruf - Matthias Marx:Wir haben verstanden
Die große Todesanzeige ist mir direkt in die Augen gefallen – ein Mann ist mit 65 Jahren unerwartet gestorben. Die Familie setzt über den Namen in dieser Anzeige nur einen kurzen Satz:
„Wir haben verstanden.“ Nicht: wir wollen verstehen, sondern: wir haben verstanden.
Kein weiterer Kommentar, kein Wunsch, keine Erklärung. Was wollen sie sagen mit diesem: wir haben verstanden? Dass der Tod unvermeidlich war? Dass er auf einer eigenen Entscheidung beruhte und dass sie genau das verstanden haben?
Die Beerdigung fand drei Wochen nach dem Tod statt – heißt das, die Familie hat sich mit dem Unvermeidlichen relativ rasch abgefunden und insofern verstanden? Doch das bleibt ziemlich rätselhaft.
Bei all diesen Überlegungen geht mir nicht aus dem Kopf, dass wir doch eigentlich überhaupt nichts verstehen, wenn es um den Tod geht. Ist der Satz in der Anzeige eher eine trotzige Aussage? Wir hätten es gerne so?
Verstehen können wir doch eigentlich nur, welchen Menschen wir da verloren haben. Und auch das wird nur langsam klar, wieviel uns jemand bedeutet hat und weiter bedeutet.
Das finde ich in einer ganz anderen Todesanzeige. Eine Familie hat mit der 84jährigen Oma den Mittelpunkt verloren, wie sie schreibt. Über der Anzeige steht:
Ein Mensch liebt ohne viel Worte.
Ein Mensch hilft ohne viel Worte.
Ein Mensch versteht ohne viel Worte.
Ein Mensch geht ohne viel Worte,
und hinterlässt eine Leere,
die in Worten keiner auszudrücken vermag.